Conference held by the Swiss Association of Semiotics in Zurich on 24 April at the Department of Philosophy
Leerzeichen des Denkens? Signes-vides de la pensée?
Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturtheorie und Semiotik SGKS
(Studientag)
Datum: Samstag 24. April 2010
Veranstaltungsort: Universität Zürich, Ethikzentrum (Kutscherhaus), Zollikerstrasse 117, 8008
Zürich
Programm
09.30
Christine Abbt, Zürich/Hans-Georg von Arburg, Lausanne
Begrüssung, Einleitung
10.00
Hubert Thüring, Basel
»Vergessen und Durchstreichen. Negation und Produktion im Denken und Schreiben Nietzsches«
11.00
Kaffeepause
11.30
Anna Joss, Zürich
»Verlorene Geschichten, Sammlungslücken und unbekannte Objekte. Überlegungen zum Vergessen
in der Sammlungspraxis historischer Museen«
12.30
Mittagspause
14.00
Michael Schmid, Zürich
»Vergessen im Archiv«
15.00
Kaffeepause
15.30
Michael Hagner, Zürich
»Über die Zukunftsvergessenheit der Geisteswissenschaften«
16.30
Generalversammlung SGKS
Abstracts
Michael Hagner
Die zentrale These des Vortrags besteht darin, dass die Geisteswissenschaften in dem Moment die
Zukunft vergessen haben, als sie sich das Gedächtnis zum neuen Leitparadigma auserkoren haben.
Diese Entwicklung wird im Kontext der politischen und kulturellen Entwicklungen der 1970er Jahre
dargestellt. Ich beschliesse den Vortrag mit einem Plädoyer für die Wiederentdeckung der Zukunft
als Forschungsfeld der Geistes- und Kulturwissenschaften.
Anna Joss
Über die Lücken in ihrer Sammlung wissen die Sammlerinnen und Sammler immer bestens
Bescheid: Lücken gilt es zu schliessen. Die vergessen gegangenen Dinge dagegen sind die
unbewussten Leerstellen des Sammelns. Unbeachtet, aber körperhaft-räumlich präsent, bergen sie
permanent die Möglichkeit, auf sie zu stossen. Wird man ihrer gewahr, so zeigt sich, dass die Dinge
nicht mehr dieselben sind wie zum Zeitpunkt, da sie in Vergessenheit gerieten.
Michael Schmid
Vergessen im Archiv kann zweierlei bedeuten: Zum einen gehen Dokumente, die in die Archive
eingehen, oftmals vergessen, sie verschwinden aus der Erinnerung, obwohl sie gerade dafür
aufbewahrt wurden. Sie werden von einem Verwaltungsapparat verschluckt und sind diesem
manchmal nur noch mit grosser Mühe zu entreissen. Vergessen kann aber auch bedeuten, dass das
Archiv das Vergessen selber betreibt, indem es Dokumente gar nicht erst in seine Sammlung
aufnimmt und sie so für jede künftige Erinnerung a priori löscht.
Hubert Thüring
„Mensch vergiss! Mensch vergiss! / Göttlich ist des Vergessens Kunst!“, so dichtet Nietzsche 1888,
und man kann annehmen, dass die Verse das, wovon sie sprechen, zugleich vollziehen sollen. Das
Paradox, dass Zeichen, die ‚für etwas stehen‘, zugleich ihr Verschwinden ‚bedeuten‘ können, soll
anscheinend über die Zeitlichkeit aufgelöst werden: Das Vergessen wird so als Zeichenprozess
fassbar. Dass sich das Vergessen nur als eine Art Gedächtnisprozess denken lässt, hat sich Nietzsche
seit Beginn seiner philosophischen Arbeit Anfang 1870er Jahre von der antiken Philosophie und
Rhetorik über die Geschichtsphilosophie bis zur modernen Physiologie und Psychologie erarbeitet.
Das Vergessen ist aber, wie seine späte Dichtung zeigt, von Anfang an nicht nur Gegenstand des
Denkens in Begriffen, sondern wird bis in den eigenen Schreibprozess hinein praktiziert und
reflektiert.
Organisation: Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturtheorie und Semiotik
www.sagw.ch/kultur_theorie_semiotik
Kontakt:
Dr. Christine Abbt Prof. Dr. Hans-Georg von Arburg
Universität Zürich Université de Lausanne
Philosophisches Seminar Faculté des lettres, Section d’allemand
Zollikerstr. 117 Bâtiment Anthropole
CH-8008 Zürich CH-1015 Lausanne
+ 41 (0)44 634 85 33 / abbt@philos.uzh.ch 022 692 29 81 / hg.vonarburg@unil.ch
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